Karoline Schwärzli-Bühler - für Sie in den Bezirkstag von Oberbayern

Sachverstand statt Geld
SPD-Bezirkstagskandidatin Karoline Schwärzli-Bühler im Interview

Karoline Schwärzli-Bühler möchte sich als SPD-Bezirkstagskandidatin für Reformen im Bereich des Arbeitslosengeldes II sowie der Inklusion stark machen. Die 58-Jährige fordert zudem mehr Wertschätzung für Mitarbeiter in Pflegeberufen. Wie sich die Sozialpädagogin das vorstellt, lesen Sie im Interview.

Frau Schwärzli-Bühler, Ihre politische Laufbahn ist für Sie die logische Konsequenz Ihrer Arbeit. Soll heißen...?

Ich habe mich gefragt, wie ich für Menschen, mit denen ich arbeite, mehr erreichen kann. Und zwar ohne, dass man sich dafür kaputt arbeitet und ohne, noch mehr Projekte ins Leben zu rufen. Ich denke, dass das nur geht, wenn Menschen mit sozialen Berufen auch Politik machen. So kann man seine Erfahrungen anderen Politikern mitteilen - und an Einfluss gewinnen. Denn ich glaube, dass der soziale Bereich nicht unbedingt mehr Geld braucht, sondern mehr Sachverstand.

Sie sind Sozialpädagogin und Krankenschwester. Was und wo arbeiten Sie im Moment?


Ich arbeite als Sozialpädagogin für den Förderkreis für evangelische Jugendarbeit e.V. - und engagiere mich aktuell für Jugendliche mit Migrationshintergrund. "JMD im Quartier" heißt das Projekt im Piusviertel. Wir versuchen in diesem Sozialraum Erfahrungen zu sammeln, wie Integration mit bestimmten Strukturen besser funktionieren kann. Das Projekt, finanziert vom Familien- und Bauministerium, läuft vier Jahre lang. Zudem habe ich vor einigen Jahren eine gemeinnützige GmbH gegründet, die zusammen mit dem Jobcenter Ingolstadt und unterstützt von einigen Fördergeldern und einem Zuschuss aus dem Stadtrat Kurse für Langzeitarbeitslose in der sozialen Stadt veranstaltet. Beispiel: die Reparaturwerkstatt im Konradviertel. Das ist eine Mischung aus sinnvoller Qualifizierung von Menschen mit Handicaps plus Mehrwert im Quartier. In der Reparaturwerkstatt können Teilnehmer ihre Selbstwirksamkeit erfahren. Deshalb sind solche Projekte erfolgreicher als Maßnahmen wie z. B. Bewerbungskurse. Für Menschen mit mehreren Handicaps ist das mit das Sinnvollste, was man in der Arbeitslosen-Förderung tun kann.

Sie wurden mit 98 Prozent der Stimmen für den Bezirkstag nominiert - ein für Sie überraschendes Ergebnis?

Ja, damit habe ich nun nicht gerechnet. Ich denke, die Menschen kennen mich noch gar nicht so gut, dass sie mir so viel Vertrauen entgegen bringen können. Also man hat mir sozusagen einen Vorschuss, einen Kredit gegeben. Von daher ist diese Nominierung eine Verpflichtung für mich, da bin ich jetzt in der Bringschuld. Aber ich übernehme die Aufgabe sehr gerne.

Sie wollen sich u. a. für Reformen in der Unterstützung für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeeempfänger, also ALG II, einsetzen. Was muss hier dringend verbessert werden?

Ich halte das System von Hartz IV, so bezeichnet man ja immer noch das Arbeitslosengeld II, für überholt. Das muss von Grund auf verändert werden. Ich würde versuchen, für manche Gruppen auf Zeit ein bedingungsloses Grundeinkommen zu installieren. Im ALGII-Bereich gibt es ja ganz unterschiedliche Menschen: mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen, ältere Menschen, junge Menschen, alleinerziehende Frauen -die werden alle völlig undifferenziert in einen Topf geworfen. Man muss hier aber unterscheiden: Wer ist krank? Wer ist mit acht Stunden Arbeitszeit pro Tag überfordert? Bei wem verhindert die Familien-Struktur, dass er wieder arbeiten kann? Oder wer hat eine Behinderung, die nicht anerkannt oder noch gar nicht festgestellt wurde? Das gibt's ja oft, dass Menschen einen Antrag auf Behinderung gar nicht stellen, obwohl sie viele Krankheiten haben. Da möchte ich genauer hinschauen, also mehr differenzieren. Ich würde von diesen Menschen durch ein Grundeinkommen den Druck wegnehmen, und ihnen so die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Da gibt's ja in skandinavischen Ländern erstaunliche Ergebnisse. Ich glaube, dass das bei uns auch möglich ist.

Auch das Thema Inklusion liegt Ihnen am Herzen…

Im Arbeitsleben gibt es ja Inklusion nicht wirklich. Vielmehr sind viele Menschen mit Handicap arbeitslos, weil unsere Betriebe lieber Abgaben bezahlen, als einen Schwerbehinderten einzustellen. Da müsste der Gesetzgeber etwas ändern. Früher gab es Arbeitsplätze für Menschen, die nicht voll leistungsfähig sind. Aber diese Arbeitsplätze wurden nach und nach abgebaut.

Ich finde, wenn jemand arbeiten möchte, sollte er eine Chance auf Beschäftigung haben, auch wenn er nicht so leistungsfähig ist. Im Bereich Inklusion ist es ähnlich: Auf dem Papier hat man einiges auf den Weg gebracht, nur in der Praxis werden die Akteure allein gelassen. Eine Klassenlehrerin muss mit den angemeldeten Kindern zurechtkommen. Aber das ist oft nicht leistbar, das berichten mir Betroffene immer wieder. Da muss man näher hingucken und nachbessern. Oder man muss Eltern und Lehrern eine Hilfe an die Hand geben, damit Inklusion auch in der Praxis funktioniert.

Sie fordern zudem bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung für Mitarbeiter in Pflegeberufen. Wie stellen Sie sich das vor?

Ich bin davon überzeugt, dass bessere Bezahlung des Pflegepersonals keine Option ist. Ein Beispiel: Eine Freundin, die im Pflegebereich arbeitet, sagte mir: "Wenn ich 200 Euro netto mehr hätte, dann würde ich zehn Prozent meiner Arbeitszeit reduzieren." D. h., gut ausgebildete Pflegekräfte können einfach oft nicht mehr. Die sind täglich einem solchen Druck, einer solchen Verantwortung ausgesetzt, das ist nicht mehr erträglich. Da krankt es am System. Andererseits, wenn heute ein 90-jähriger Patient, der zuhause oder im Heim Pfegestufe 5 hat, wegen eines Akutereignisses ins Krankenhaus kommt, dann muss das Akutereignis fachlich gut behandelt und der Mensch gut gepflegt werden. Dass dieser Mensch bereits Pflegestufe 5 hat, wird aber nicht berücksichtigt. Es interessiert lediglich die Diagnose wie z. B. Gallenblasenentzündung - die wird behandelt und bezahlt. In unserem Gesundheitssystem steht immer die Wirtschaftlichkeit an erster Stelle - und nicht der Mensch. Wir haben eine Standardbehandlung, die für alle Menschen gleich ist. Das funktioniert so aber nicht, weil kranke und alte Menschen andere Bedürfnisse als jüngere und relativ gesunde Menschen haben. Beispiel neues Hüftgelenk: Nach OP und sieben Tagen Klinikaufenthalt, kommt jeder Patient auf Reha. Man hat dann aber oft Menschen im Rehabetrieb, mit denen man gar nichts machen kann, weil sie noch Schmerzen haben oder von Schmerzmitteln so beeinträchtigt sind, dass die Rehaübungen nicht starten können. Das interessiert aber nicht, weil alles nach dem Wirtschaftsfaktor umgesetzt wird. Wenn es Probleme mit dem Reha-Programm gibt, dann sollte man das Pflegepersonal befragen und dessen Wort auch gelten lassen - das meine ich mit Wertschätzung. Ausgebildete Fachkräfte kennen viele Therapiemöglichkeiten, die wahrscheinlich sogar Geld sparen könnten.

Wie kann man Pflegeberufe attraktiver machen?

Pflegeberufe könnten dann wieder attraktiv werden, wenn sich die Bedingungen rasch ändern. Das heißt, wenn man Pflegekräften die Möglichkeit gibt, ihren Beruf so auszuüben, wie sie sich ihn ursprünglich vorgestellt haben. Nur dann bleiben diese Mitarbeiter ihrem Beruf treu. Man müsste dann aber auch bundesweit Kampagnen starten, um junge Menschen davon zu überzeugen, dass der Pflegeberuf attraktiv sein kann, und, dass er auch gute Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Wichtig ist auch, auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ausgebildeten Pflegekräften und Pflegehelfern, die aus dem Ausland kommen, zu achten. Denn sonst wird das Stammpersonal immer noch mehr belastet, das funktioniert einfach nicht. Auch Patienten und deren Angehörige müssten sich häufiger zur Qualität der Pflege äußern und sich für ihre Sache stark machen. Sonst könnte es irgendwann passieren, dass Pflege eine Qualität annimmt, die gefährlich ist.

Wie schätzen Sie ihre Chancen für die Bezirkstagswahl ein?

Ich kann das schwer einschätzen, ob ich tatsächlich die Chance habe, auf ein Minimum von 18.000 Stimmen zu kommen. Aber ich wünsche es mir und dafür werde ich auch hart arbeiten.

Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?

Es geht im Moment auch darum, mich innerhalb der SPD bekannt zu machen. Deshalb bin ich aktuell auf vielen Veranstaltungen, d.h. in den Ortsverbänden stelle ich mich vor, ich besuche Starkbierfeste usw. Nach Ostern beginnt dann der inhaltliche Teil des Wahlkampfs. Dann werde ich an Ständen in der Fußgängerzone präsent sein, Flyer verteilen und mit den Bürgern verstärkt über meine Inhalte sprechen.

Quelle: Blickpunkt Wochenende, 26.3.18

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